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Nach dem Treffen: Der Vertrag von Tilsit
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Die demütigende Mission der regierenden Königin von Preußen war ohne jedes Ergebnis geblieben. Preußen und Deutschland waren politisch tot. An eine politische Wiedergeburt war nicht zu denken
- wenn doch, dann war allein Königin Luise die Idealfigur, um die man sich scharen würde. So sah man es in Deutschland, so ahnte man es selbst in Frankreich.
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Allerdings wirft diese “Demütigung” einen Schatten auf den Kaiser der Franzosen, der die Zusammenkunft ganz anders geplant hatte. Seine Rechnung ging nicht auf. So meinte er -
obwohl die Würfel schon längst gefallen waren - der Öffentlichkeit das Bild des galanten Ritters und Staatsmanns zeigen zu können. Luise bot ihm jedoch keinen Raum für Schauspielerei, sie
übernahm die Gesprächsführung - und verlor alles. Für Preußen aber wurde diese Demütigung die Stunde der geistigen, sittlichen und politischen Wiedergeburt.
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Napoleon hatte in der Tat bereits am 3. Juli 1807, also drei Tage vor dem historischen Monarchentreffen zu Tilsit, Alexander I. die Entwürfe des Friedensvertrages geschickt. Es fand sich darin
die ausdrückliche Bemerkung, daß der König von Preußen auf Fürsprache des Kaisers Alexander in den Besitz der Länder wieder eingeführt würde, die an die beiden Haffe grenzen und von der
Quelle der Oder bis ans Meer reichen.
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Der französisch-preußische Friedensvertrag sah vor, daß Preußen alles Land links der Elbe einschließlich Magdeburg abtreten mußte. Alle Erwerbungen aus der zweiten und dritten Teilung Polens
bildeten das Herzogtum Warschau, das durch Personalunion mit Sachsen vereinigt wurde. Danzig wurde zu einem Freistaat erklärt, unter Preußens und Sachsens Schutz, blieb allerdings von
französischen Truppen besetzt.
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Neben der Reduzierung von Land und Leuten auf nur mehr die Hälfte, waren die Kriegskontributionen, die im Friedensvertrag vom 12. Juli 1807 vorgesehen waren, die schmerzlichsten Bestimmungen.
General Graf Kalckreuth war mit den Verhandlungen überfordert, besaß auch nicht die Kraft, den zuständigen Minister des Äußeren Graf von der Goltz hinzuzuziehen, als die Franzosen ihn
bedrängten. So wurde ein Vertrag unterzeichnet, in dem wesentliche Bestimmungen einer späteren Vereinbarung vorbehalten waren. Die Höhe der Kontributionen und der Zeitraum der Abtragung waren
nicht geregelt, was Kalckreuth nicht hinderte, den Diktatfriedensvertrag zu unterzeichnen. Der französische Außenminister Talleyrand bezeichnete den Tilsiter Frieden später als unklug.
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Die französische Besatzung lastete schwer auf dem Land. Der Vertrag sah vor, daß die Gebiete zu räumen seien, falls vorher sämtliche Kontributionen gezahlt worden waren. Auch war vereinbart,
daß erst dann wieder Steuereinnahmen in die preußische Staatskasse fließen durften, wenn die verhängten Kontributionen abgeführt worden waren. Selbstverständlich mußten die französischen
Besatzungssoldaten vom Lande ernährt werden (wie es grundsätzlich während aller napoleonischer Kriege die Regel war). Die hervorragend organisierten Plünderungen der Kunstschätze nahm im
ganzen Land ungeahnte Ausmaße an. Auch hierin bewies Napoleon unvergleichliche Größe.
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Überall wo französische Truppen standen, wurden die Staatseinkünfte für Frankreich in Beschlag genommen - als ob der Krieg noch fortwährte. Die französische Militärverwaltung hauste im Frieden
schlimmer als im Kriege. Der König erhielt von den Staatseinkünften nichts, die auf halben Sold gesetzten Offiziere gingen gleichfalls leer aus. Aus den abgetretenen preußischen Provinzen
strömten Unmengen von entwertetem Geld zurück, und die Franzosen ließen, um den Schaden noch zu vergrößern, in der Berliner Münze zusätzliches Kleingeld prägen.
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Dass Preussen nunmehr sowohl politisch als auch wirtschaftlich absolut unbedeutend war, spiegelte sich in den diplomatischen Vertretungen wider, das im Jahre
1808 am Hofe zu Königsberg vertreten waren: ein französischer Konsul, der holländische Gesandte und ein österreichischer Geschäftsträger bildten das diplomatische Korps.
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Weil Kalckreuth nichts geklärt hatte, packte die Preußen dann am 25. Juli 1807 das blanke Entsetzen, als die Bevollmächtigten in Berlin zusammentrafen, um die endgültigen Summen zu regeln.
Preußen wollte die bis zum Friedensschluß bereits gezahlten Beträge in Abzug bringen und kam auf eine Summe von 20 Millionen Franken, während der französische Bevollmächtigte Pierre Antoine
Graf von Daru auf Weisung Napoleons die ungeheure Summe von 154 Millionen Franken verlangte.
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Napoleon wußte, daß das völlig ruinierte Preußen nicht in der Lage sein würde, diese Summe aufzubringen. Er erreichte so über einen Umweg - ohne daß Rußland Preußen in irgendeiner Weise
beistehen konnte - daß Preußen auf immer schwach und unbedeutend bleiben würde, ohne die Kraft zu finden, sich je wieder gegen Napoleon zu erheben. Seine persönliche Rache, von der er keinen
Hehl machte, war zunächst befriedigt.
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Heinrich von Treitschke schreibt in seiner “Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert”:
“Am 7. und 9. Juli 1807 wurde der Friede von Tilsit unterzeichnet, der
grausamste aller französischen Friedensschlüsse, unerhört nach Form und Inhalt. Nicht der rechtmäßige König von Preussen trat dem Sieger einige Landesteile ab, sondern der Eroberer bewilligte
aus Achtung für den Kaiser aller Reußen die Rückgabe der kleineren Hälfte des preußischen Staates an ihren Monarchen. Und dieser empörende Satz, den die Zeitgenossen nur für eine
Ungezogenheit napoleonischen Übermuts ansahen, sagte die nackte Wahrheit. Denn wirklich nur aus Rücksicht auf den Zaren führte Napoleon die fest beschlossene Vernichtung Preussens vorläufig
bloß zur Hälfte aus.”
”Entwaffnet, geknebelt, verstümmelt lag die preußische Monarchie zu Napoleons Füßen; mit vollendeter Schlauheit hatte er alles vorbereitet, um sie zur
gelegenen Stunde gänzlich zu vernichten. Nur eines entging dem Scharfblick des Verächters der Ideen: dass dieser Staat an innerer Einheit und sittlicher Spannkraft gewann, was er an äußerer
Macht verlor.”
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Im Frieden wurde von den Franzosen nun versucht, die Zerstörung Preussens zu vollenden. Napoleon hatte bereits 1807 angeboten, die Donauprovinzen an Russland abzutreten, wenn er dafür im
Gegenzug Schlesien bekommen würde. Dem König von Preussen würden dann nur noch 2 Millionen Untertanen bleiben. Preussen drängte darauf, die endgültige Höhe der Kontributionen zu verhandeln,
denn nichts war geklärt. Napoleon jedoch ließ wissen, die gegenwärtige Lage sei ihm willkommen, kein Anlass also irgendetwas zu ändern. Derweil wurde das verarmte Land weiter unkontrolliert
ausgeplündert. Dem Prinzen Wilhelm, der als Unterhändler nach Paris gegangen war, sagte Napoleon: “Ich weiß , dass alle Preussen mich hassen.”
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Nur zögernd begann die französischen Truppen mit dem Abmarsch aus Preussen, das für sie weiterhin Feindesland war. Die Kriegsgefangenen wurden erst Anfang 1809 freigelassen. Der Minister vom
Stein konnte sich während dieser schwierigen Zeit erstaunlich lange halten, sogar noch ein Vierteljahr über die Zeit hinaus, als sein Brief mit dem Aufruf zum Widerstand abgefangen war, ein
unverzeihlicher Fehler Steins. Friedrich Wilhelm III. hielt den Attacken Napoleons lange stand, am 24 Oktober 1808 nahm Stein jedoch seinen Abschied, ein schwerwiegender Verlust für das Land
Preussen. Napoleon nannte ihn “ein gewisser Stein” kassierte seine Besitztümer und ließ ihn ächten. Stein ging nach Russland..Nach Steins Abgang konnte Hardenberg wegen Napoleons
ablehnender Haltung nicht mit der Führung der Geschäfte betraut werden. Es gab ein kollegial geführte Ministerregierung mit dem neuen Innenminister Alexander Graf Dohna.
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Die europäische Landkarte näherte sich inzwischen dem Bild, das Napoleons Vorstellung sehr nahe kam: Rußland unter Kontrolle und darüber hinaus der Kontinent zerstückelt. Keine Macht in
Europa, mit Ausnahme Englands, zählte mehr als vier Millionen Einwohner.
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Preußen wurde gezwungen, der gegen England gerichteten Kontinentalsperre beizutreten. Vor einem allerdings konnte König Friedrich Wilhelm III. sein Land bewahren: Vor der freiwilligen
Knechtschaft des Rheinbundes. Preußen allein blieb von allen deutschen Landen diesem Vasallenbunde fern.
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Napoleons Stern hatte mit dem Vertrag von Tilsit seinen Zenith erreicht. Er war unumschränkter Herrscher über West- und Mitteleuropa.
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