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Am 5. Juli 1807 kam Kaiser Alexander zu Luise und Friedrich Wilhelm und überbrachte einige Schriftstücke mit Forderungen Napoleons. Napoleons Oberstallmeister Caulaincourt stieß hinzu und
überbrachte die Einladung. Kaiser Napoleon könne das neutralisierte Tilsit nicht verlassen, werde aber die Königin, wenn sie nach Tilsit komme besuchen und einladen. In einem Gespräch mit dem
schwedischen Gesandten Karl Gustav von Brinckmann äußerte Königin Luise: “Ich bin erst dreißig Jahre, aber ich habe mich schon selbst überlebt.”
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Am Nachmittag des 6. Juli 1807 fuhr Königin Luise mitten durch russische und französische Truppen zur Memel, setzte mit einer Fähre über und traf sich in Tilsit mit Friedrich Wilhelm,
Alexander und August Friedrich Graf von der Goltz, dem neuem Minister des Auswärtigen. Bald darauf wurde der französische Kaiser gemeldet. Napoleon im schlichten dunkelgrünen Uniformrock,
umgeben von seinem glänzenden Gefolge.
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Luise, die selbstverständlich fließend französisch sprach, bedauerte, daß der Kaiser genötigt gewesen sei, eine derart hohe Treppe zu ihr hinaufzusteigen, (er war beim Hinaufsteigen leicht
gestolpert). Napoleon erwiderte gewandt: “Auf dem Wege zu einem solchen Ziele darf man vor keinem Hindernisse zurückschrecken.” Mit einem Anflug von Ironie beklagte sie den für
ihn und seine Truppen beschwerlichen Aufenthalt im nordisch kalten Preußen. Napoleon antwortete etwas verlegen mit einem Kompliment.
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Luise packte Napoleon bei dessen Frauenfeindschaft. Der Kaiser, so sagte sie, habe sie angeklagt, sich zuviel in Politik zu mischen, ein Vorwurf, den sie nicht verdient zu haben meinte -
Napoleon unterbrach sie mit der Beteuerung, dass er selbst diese Ausstreuungen nicht geglaubt habe. (Eine glatte Lüge, sehen Sie hier).
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Dann kam Luise zur Sache. Sie sagte, daß sie sich über die Lage Preußens im klaren sei. Sie sei sich bewußt, daß man Opfer werde bringen müssen. Jedoch möge man Preußen nicht von Provinzen
trennen, die seit Jahrhunderten dazu gehörten. Insbesondere machte sie sich wiederholt für Magdeburg stark, das unter allen Umständen bei Preußen bleiben müsse.
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Napoleon versuchte auszuweichen und machte Komplimente. “Sie tragen da ein schönes Kleid,” bemerkte er. “Wo ist es gearbeitet? in Breslau? Macht man Krepp in Ihren
Fabriken?” “Sollen wir jetzt über Putz reden in diesem Augenblicke?” erwiderte die Königin. Verdutzt mußte der Kaiser feststellen, daß seine Scherze nicht fruchteten. Luise
war schlagfertig und charmant. Später hat Napoleon gestanden, daß er Luise die Gesprächsführung habe lassen müssen (es finden sich in Napoleons Geschichte keine weiteren Beispiele dafür).
Nochmals versuchte sie, seine edleren Gefühle anzusprechen. Sie sagte, seine Siege würden ihm doppelt Ehre machen, wenn er sich auch Rechte auf Dankbarkeit erwerbe. Mit Worten wie Großmut und
Hochherzigkeit versuchte sie Mitleid und Menschlichkeit zu bewirken. Sie setzte sich entschieden auch für die Zukunft ihres Gatten und ihrer Kinder ein, wie man es von einer Ehefrau und
Mutter nur erwarten konnte.
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Napoleon war in die Enge getrieben, aber er konterte mit Höflichkeit. Immerhin konnte sie ihm ein “wir wollen sehen” abringen. - In diesem Augenblick betrat Friedrich Wilhelm III.
den Raum. Wäre er nur ein wenig länger im Vorzimmer geblieben! Man weiß nicht, was Luise vielleicht noch erreicht hätte. Napoleon sagte am selben Tag zu Kaiser Alexander: “Er erschien
zur rechten Zeit. Eine Viertelstunde später, und ich würde der Königin alles versprochen haben.” - Noch einige Komplimente, dann verabschiedete sich Napoleon. Luise blieb hoffnungsfroh
zurück.
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Am Abend fuhr Luise zum Diner zu Napoleon. Er empfing sie auf der Straße und führte sie zum Essen hinauf, an dem außer Napoleon und dem Königspaare Kaiser Alexander I, dessen Bruder Großfürst
Konstantin Pawlowitsch, Prinz Heinrich von Preußen, Kronprinz Ludwig von Bayern, Gräfin Voß und Joachim Murat, Napoleons Schwager teilnahmen. Die Stimmung war gut, die Unterhaltung lebhaft.
Napoleon fragte, wie nur Preußen mit seiner geringen Macht einen Krieg gegen ihn habe anfangen können. Luise gab darauf die berühmte Antwort: “Sire, der Ruhm Friedrichs des Großen hat
uns über unsere Mittel geteuscht.” Diese Episode geht auf französische Quellen zurück. Talleyrand berichtete später, dies habe großen Eindruck auf Napoleon gemacht. Napoleon verehrte
Friedrich II.
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Nach Tisch bearbeitet die Königin Napoleon erneut und legte sich besonders für Magdeburg ins Zeug. Eine Rose, die ihr der Kaiser anbot, wollte sie
nur mit dem Versprechen der Rückgabe Magdeburgs annehmen. Später, als die Königin die Tafel bereits verlassen hatte, sagte Napoleon zu Kaiser Alexander: “Die Königin von Preußen ist
eine reizende Frau, ihre Seele entspricht ihrer Gestalt; auf Ehre, anstatt ihr eine Krone zu nehmen, möchte man versucht sein, ihr eine zu Füßen zu legen.” Nach dem Treffen stieg
die Hoffnungsfreude in hohem Maße. Alexander und auch einige Franzosen begückwünschten Luise zu dem Erfolg, den sie errungen habe. - Die Hoffnungsträume währten nur eine kurze Sommernacht.
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Am Morgen des 7. Juli 1807 ließ Napoleon den Grafen von der Goltz zu sich rufen, um ihm die Friedensbedingungen zu diktieren. Er sei mit Rußland zu einem Einverständnis gekommen. Der König von
Preußen habe es nur Kaiser Alexander zu verdanken, daß man ihn und seine Dynastie nicht davon gejagt habe, und seinen Bruder Jerome zum König von Preußen gemacht habe. Bessere Bedingungen
seien ein für alle Mal unmöglich. Die Zeit der Verhandlungen sei vorüber. Es folgten Schmähungen gegen Friedrich Wilhelm III. und kritische Bemerkungen über Luise. Schließlich: “Wenn
die Rache mir die Vernichtung Preußens als Großmacht diktiert, so werden meine politischen Kombinationen die Interessen Frankreichs sicherzustellen wissen.”
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Es zeigte sich also nicht die geringste Spur einer Milderung, ganz im Gegenteil. Talleyrand machte in der Zusammenkunft deutlich, daß der Friedensvertrag ohne jede Aussicht auf Milderung
binnen zwei Tagen unterschrieben werden müsse. Er ließ dabei Goltz noch nicht einmal Zeit, den Vertragsentwurf, den er bei sich führte und ihm zeigte, zu lesen. In einer emotionsgeladenen
Auseinandersetzung gerieten Napoleon und Friedrich Wilhelm aneinander. Alexander, der beide laut schreien hörte, eilte herbei und fand den König “ganz rot vor Zorn”, den Kaiser
“grün vor Wut”. Napoleon zu Alexander: “Alle Preußen, wie sie sind, brennen vor Begier, sich an mir persönlich zu rächen, und Sie wollen, daß ich ihnen die Mittel dazu gebe?
Nein, da ich doch auf keine aufrichtige Aussöhnung hoffen kann, so muß ich es Preußen unmöglich machen, je etwas gegen die Interessen Frankreichs zu unternehmen.”
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Eine andere Quelle (Friedrich Adami: Luise, Königin von Preußen. Berlin 1859) beschreibt die Szene folgendermaßen: Napoleon: “Es liegt in meinem System, Preußen zu demütigen; ich will,
daß es nicht mehr eine politische Macht in der politischen Waage Europas ist.”
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Am Abend des 7. Juli holte Berthier Luise zum Diner mit Napoleon ab. die Stimmung war auf dem Nullpunkt. Gleichwohl richtete die Königin, die über die letzten Vorkommnisse im Bilde war, einige
bittende Worte an Napoleon. “Wie können Sie mir noch zu guter Letzt etwas abpressen wollen!” war seine Erwiderung. Napoleon und Luise schieden von einander und sahen sich nicht
wieder. Die Schmähungen der französischen Zeitungen waren von Stund an beendet.
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In einem letzten vergeblichen Treffen mit Napoleon wurde Friedrich Wilhelm von diesem abgekanzelt: “Majestät vergessen, daß ich nur mit Kaiser Alexander verhandle.” Danach
veranstaltete Napoleon noch eine theatralische Abschiedsszene mit dem russischen Kaiser und reiste nach Frankreich. Alexander verabschiedete sich nach Petersburg. Friedrich Wilhelm wartete
noch, bis am 9. Juli 1807 abends in Tilsit der preußisch-französische Friedensvertrag unterzeichnet war. Am nächsten Tag reiste das Königspaar nach Memel zurück.
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Wenn der Kaiser eines haßte, dann waren es Frauen, die politisierten, geistreich waren und sich in Politik mischten. An Josephine schrieb er in diesen Tagen: Es ist wahr, daß ich die
intriganten Frauen über alles hasse. Ich bin gewöhnt an die guten, süßen, vermittelnden. Das sind die, welche ich liebe.
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Luise war nach dem vergeblichen Gespräch mit Napoleon geistig und körperlich am Ende, wie sie ihrem Bruder Georg schrieb. Welche Konsequenzen der Bittgang auf lange Sicht jedoch haben würde,
konnte sie nicht ahnen. Das Echo der Geschichte machte den Moment der tiefsten Erniedrigung im Nachhinein zu einem Triumph von geradezu mythologischer Bedeutungt. Der Opfergang hatte die
Legende geboren.
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