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1807 - von Memel nach Tilsit
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Friedrich Wilhem III. hatte wenig erhofft, so hatte er durch die Niederlage der Russen bei Friedland auch wenig verloren. Luise war tief entmutigt, fand ihre Fassung jedoch wieder durch ihr
schlichtes Gottvertrauen, das ihr Halt und Kraft gab. In ihren Briefen an den Vater kommt ihre unbeugsame Haltung zum Ausdruck. Das stolze Bewußtsein, recht und sittlich gehandelt zu haben,
war stets ihre oberste Richtschnur.
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In dieser desolaten Lage traf man in ihrer Umgebung Anstalten zur abermaligen Flucht gen Osten: von Memel nach Riga über die russische Grenze. Als die Franzosen jedoch an der Memel stehen
blieben, dieser Fluß quasi zur Grenze zwischen den beiden Lagern wurde, entspannte sich die Lage zur großen Überraschung aller. Friedrich Wilhelm reiste nach Szawl zu einer Zusammenkunft mit
Alexander. Hardenberg war bereits dahin vorausgegangen. Luise harrte derweil in Memel voller Ungewißheit der weiteren Nachrichten und Entwicklungen.
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Dann erreichte sie ein Brief Friedrich Wilhelms, und die Ungewißheit nahm ein Ende. Wie aber sahen die Neuigkeiten aus? Luise konnte es nicht fassen: Ein völliger Umschwung der Politik
Rußlands! Verständigung mit Frankreich! Wahrscheinlich eine Zusammenkunft mit Napoleon! Luise schmerzte der Abfall Rußlands außerordentlich, ohne jedoch Alexanders Treulosigkeit zu
realisieren. Bennigsen war für sie der Mann, dem Verachtung und Haß gebührt. (Bennigsen seinerseits spricht in seinen Aufzeichnungen voll Bewunderung von ihr). Dem Großfürsten Konstantin
Pawlowitsch, Bruder Alexanders I. und verantwortlich für die neue russische Linie, schrieb sie ebenfalls die Schuld an diesem Desaster zu. Soviele unnütze Opfer, die von Preußen für die
Fortsetzung des Krieges gebracht wurde, soviel Blut vergossen, und nun die Dummheit und Böswilligkeit der anderen?!
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In Panik geriet die Königin bei dem Gedanken an ein Zusammentreffen der Monarchen mit Napoleon. Wie konnte Alexander diesem “Höllensohne” die Hand reichen? Von nun an überschlagen
sich die Ereignisse. Luise kommt kaum zum Nachdenken. Am 21. Juni 1807 war in Tilsit der Waffenstillstand zwischen russischen und französischen Parlamentären unterzeichnet worden. Wenige Tage
später, am 24. Juni 1807 erreichen Alexander und Friedrich Wilhelm den Flecken Picktupönen, am rechten Ufer der Memel, kaum eine Meile von Napoleons Hauptquartier in Tilsit am linken
Memelufer entfernt. Napoleon schickt seinen Haushofmeister Duroc, um den Kaiser zu einer Zusammenkunft zu laden. Schon am Tag darauf trafen sich die beiden Kaiser zu bilateralen Gesprächen
auf einem Floß, das Napoleon auf der Mitte des Memelflusses hatte verankern lassen. Friedrich Wilhelm stand derweil am Ufer in strömendem Regen und sah zu. Das ruhmreiche Preußen endlich eine
quantité négligeable...
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Wie sahen die Forderungen aus? Napoleon verlangte zu unterschiedlichen Zeiten Unterschiedliches, Alexander unternahm so gut wie nichts, um die Situation Preußerns zu verbessern. Die Entlassung
Hardenbergs machte Napoleon zur Bedingung. Die Abtretung der Altmark und Magdeburgs forderte er ebenso. Auf Schlesien schien er verzichten zu wollen, nachdem er es zuvor für seinen Bruder
Jerome gefordert hatte. Außerdem verlangte er alles preußische Land westlich der Elbe. Luises größte Sorge war jedoch, daß man Friedrich Wilhelm III. auf das Niveau eines Rheinbundfürsten
drücken würde.
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Am 30. Juni erhielt die Königin einen Brief Friedrich Wilhelms mit einem Schreiben des neu ernannten Generalfeldmarschalls Grafen Friedrich Adolf von Kalckreuth, worin eine Reise der
Königin nach Tilsit empfohlen wurde. Offenbar werde die Reise auch von Napoleon gewünscht. Friedrich Wilhelms einziger Kommentar: diese Reise sei ihr gewiß recht unangenehm. Abermals
offenbart sich der schwierige Charakter des Königs, der weder über den Dingen stand noch sie vorantrieb, sondern daneben und sich meist teilnahmslos zeigte. Luise realisierte entsetzt, daß
sie ihrem schlimmsten Feind, der sie im “Moniteur” und “Telegraph” fortwährend mit den schmutzigsten Verleumdungen bedacht hatte, gegenüber treten würde. Sie überwand ihre Abscheu aus Gründen der Staatsräson. Allerdings verlangte sie bezüglich eines Treffens mit Napoleon von diesem eine eindeutige Willensäußerung.
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Kaiser Alexander mußte das seltsame Benehmen des französischen Kaisers gleichfalls über sich ergehen lassen, wenn auch die Themen harmloser waren: seine jährliche Einnahme aus der Zuckersteuer
wurde abgefragt, die Erträge aus dem Pelzhandel, die Dogmen der orthodoxen Kirche - wie ein Schulknabe kam er sich vor. - Obwohl sich das Verhältnis zwischen Napoleon und Friedrich Wilhelm
weiter verschlechterte, empfand dieser für den Korsen trotz allem Bewunderung. Einmal charakterisierte er dessen Wesen: “Man braucht ihn nur einmal reiten zu sehen, so erkennt man den
ganzen Mann. Er geht immer in Karriere, unbekümmert was hinter ihm fällt und stürzt. Er hat ein Pferd auf das er sich verlassen kann, und so ist er sicher, wenigstens sich durchzubringen. Das
ist denn die Hauptsache.”
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Während Friedrich Wilhelm anscheinend keine feste Meinung über Sinn und Zweck einer Reise der Königin nach Tilsit hatte, waren nicht nur Kalckreuth und Hardenberg, sondern auch Alexander fest
davon überzeugt, daß Luise mit einer einzigen Unterredung mehr erreichen würde, als alle ihre Verhandlungen. Es gelang ihnen gemeinsam, den König zu überreden, Luise herbeizurufen.
(Hardenberg bedauerte später seinen Entschluß, wie es durchaus einige aufrechte Männer in Friedrich Wilhelms Umgebung gab, die Luise diese Demütigung gerne erspart hätten).
Nachdem
sich Luise am 4. Juli auf den Weg nach Picktupönen gemacht hatte, erhielt sie unterwegs die Nachricht von der vollzogenen Entlassung Hardenbergs. Von Alexanders Nachgiebigkeit erfuhr sie (er
rührte keinen Finger, um Hardenberg zu halten) und auch davon, daß Napoleon von einer ursprünglich angebotenen Gebietsentschädigung für linkselbische Verluste nichts mehr wissen wollte. Am
gleichen Abend empfing sie Hardenberg, der bereits entlassen war und an keinem offiziellen Gespräch teilnehmen durfte, um mit ihm das Treffen mit Napoleon Punkt für Punkt vorzubereiten. Sie
wollte, wie sie sagte, “par coeur” mit Napoleon sprechen, aber nicht “de coeur”.
Luise hat übrigens Hardenbergs Entlassung nicht verhindern können, obwohl sie
ihren Mann vorausschauend mit Verhaltensmaßregeln bombadiert. Sie beschwört den König Hardenbergs Entlassung nicht zuzulassen - vergebens, wie ein Jahr später bei der ebenfalls von Napoleon
befohlenen Entlassung des Ministers vom Stein.
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