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Scharnhorst, Gerhard Johann von (1756-1813), preuß. General, Reformator des Heeres. Zusammenarbeit mit Stein, Hardenberg, Humboldt, Gneisenau, Boyen.
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Preussen war auf die Funktion eines Pufferstaates zusammengeschrumpft, hatte die französische Besatzung zu erdulden, musste die fremden Truppen versorgen, die gigantischen
Kontributionszahlungen an Frankreich leisten und konnte zugleich nichts gegen die dreisten und von Napoleon hervorragend organisierten Plünderungen von Kunstgegenständen
unternehmen. Das Heer war um die Hälfte verkleinert.
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Gerhard Johann David Scharnhorst war bäuerlicher Herkunft. Der Niedersachse behielt seine Kargheit und Schlichtheit Zeit seines Lebens und starb doch als königlich preussischer
Generalleutnant, mit einem preussischen Adelspatent. Scharnhorst gehörte zu den großen Soldaten, die durch ihre Selbstzucht und durch ihr Schweigen immer ein wenig rätselhaft blieben.
Gneisenau nennt ihn einen “der merkwürdigsten Soldaten und Staatsmänner, auf welche Deutschland je stolz sein durfte.” Clausewitz, sein Schüler: “Ein solcher Geist konnte
Früchte still zeitigen, aber nicht wie andere mit Blüten prangen.” Seine zurückhaltende Art kam bei König Friedrich Wilhelm, der Steins polternde Dominanz stets fürchtete, und
Gneisenaus Visionen nicht folgen konnte, gut an.
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Obwohl Scharnhorst ein erfolgreicher Militärschriftsteller wird, ist er in seiner Rhetorik immer ein wenig hilflos. Immerhin gelingt ihm als Bürgerlichen der Aufstieg in der hannoveranischen
Armee. Er wird in der “bürgerlichen” Waffengattung, der Artillerie, Offizier und zugleich Lehrer an der neu gegründeten Artillerieschule in Hannover. Als Spezialist wird er
dann an die spätere Militärakademie nach Berlin berufen.
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Schon früh entwickelt Scharnhorst dort die Idee von der Volksarmee oder Nationalmiliz: “Nur dadurch, da man die ganze Masse des Volkes bewaffnet, erhält ein Kleines (Land) eine Art von
Gleichgewicht der Macht in einem Defensivkriege gegen ein Größeres (Land), welches einen Unterjochungskrieg führt und angreift.” Diese Denkschrift erschien Monate vor der Niederlage von
Jena und Auerstedt.
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In den Jahren nach Jena und Tilsit stieg Scharnhorst zum Leiter der preussischen Militärpolitik auf: zuerst als Generaladjutant des Königs, dann als Leiter der
Militär-Reorganisationskommission und später defacto als Kriegsminister.
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Kurz nach dem Tilsiter Frieden wurde von Friedrich Wilhelm III. eine Militär-Reorganisationskommission einberufen und der Generalmajor von Scharnhorst am 25. Juli 1807 mit dem Vorsitz
betraut. Der König hatte Scharnhorst im Jahre 1801 als Lehrer an die Berliner Kriegsschule berufen (Leitung der Offizierslehranstalt). Clausewitz zählte hier zu seinen Schülern.
Scharnhorst war durch die Veröffentlichung einer Reihe von militärischen Schriften bekannt geworden. In der “Militärischen Gesellschaft”, deren Gründer er war, wurden notwendige
Neuerungen diskutiert, ohne dass man sich damit bereits hätte durchsetzen können.
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Die Königsberger Kommission hatte anfangs den Auftrag, die Verfehlungen der Offiziere und Generale in den Jahren 1806/07 zu untersuchen, insbesondere, ob sie sich des Verrats oder der Feigheit
schuldig gemacht hatten. Scharnhorst stellte die Aufgabe in einen größeren Zusammenhang. Scharnhorst, der heute unter den Reformern am wenigsten Bekannte, war nicht nur der exzellente
Militärstratege mit klarem Blick für überholte, verkrustete Strukturen, er war zugleich auch Staatsmann. Er betrieb die Heeresreform, mit großer Energie und Ausdauer und vermochte sich trotz
Rückschlägen gegen den König und andere konservative Kräfte durchzusetzen. Zu seinen hervorragenden Mitarbeitern zählten August Neithardt von Gneisenau (sein Nachfolger), Carl von Clausewitz
(durch sein militärtaktisches Werk “Vom Kriege” wesentlich bekannter geworden), Hermann von Boyen und Karl von Grolmann.
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Im Zuge der Heeresreform wurde das Privileg des Adels bei der Besetzung von Offiziersstellen abgeschafft. Für die Beförderung war einzig der Verdienst wichtig, nicht die Herkunft. Trotz allem blieb das Offizierskorps jedoch überwiegend adlig. Der übertriebene Exerzierdrill wurde zugunsten einer gefechtsnahen Ausbildung abgelöst, entehrende Strafen wie Spießrutenlauf und Prügelstrafe wurde abgeschafftt. Der wichtigste Punkt der Heeresreform war jedoch, dass Scharnhorst Schritte einleitete, um die Armee im Bewusstsein des Volkes fest zu verankern. Er vertrat die Auffassung, da ein jeder Bürger eines Staates bereit sein müsse, diesen zu verteidigen. “Verbürgerlichung des Heeres”. Es wurde die allgemeine Wehrpflicht (Dienstzeit drei Jahre) eingeführt, zugleich die Landwehr und der Landsturm gebildet. (“Volksarmee”).
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Scharnhorst gilt als Erfinder des “Krümpersystems”. Hierdurch war es der preussischen Armee möglich, eine größere Anzahl an Rekruten auszubilden, als die offiziell erlaubten 42.000
Mann. Die Soldaten wurden ausgebildet, danach “beurlaubt” und durch Nachrücker ersetzt. Obwohl dieses System sehr zur Popularität der preussischen Armee beitrug, war die
Gesamtzahl der tatsächlich ausgebildeten Soldaten in der Armee nicht wesentlich höher als 42.000. Hinzu kamen noch 120.000 Mann der Landwehr.
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1807 übernahm Scharnhorst de facto die Funktion des preussischen Kriegsministers. Das Ministerium wurde jedoch erst 1809 gebildet. Unter der Regierung Hardenberg waren Scharnhorsts
Kriegsministerium sowie das Finanzministerium die beiden einzigen selbständigen Ministerien. Er legte 1812 scheinbar sein Amt nieder, als Preussen gezwungen war, in die napoleonische Allianz
gegen Russland einzutreten und ein 20.000köpfiges Hilfskorps abstellen muhte. In Wahrheit behielt Scharnhorst weiterhin die Fäden in der Hand.
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Anders als Clausewitz und Boyen, die aus patriotischen Gründen zum Übertritt in russische Dienste bereit waren (in denen Stein bereits stand), diente Scharnhorst, nachdem Preussen die Seiten
gewechselt hatte, als Generalstabschef in Feldmarschall Blüchers Armee. König Friedrich Wilhelm III. hat in seiner verqueren Logik den Übertritt in russische Dienste - mit dem Ziel des
aktiven Widerstandes gegen den französischen Imperator - niemals honoriert. Im Gegenteil, preussische Offiziere in russischen Diensten wurden nach ihrer Rückkehr verleumdet und kaltgestellt.
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Gegen den Widerstand der reaktionären Kräfte, zu denen in erster Linie der Adel zählte, gelang es Scharnhorst und den Mitarbeitern durch die eingeleiteten Maßnahmen die Effizienz
des preussischen Heeres zu steigern. Das längst überholte, aus dem Jahre 1733 stammende Kantonsprinzip, wonach jeder Heeresbezirk eine Anzahl von Wehrpflichtigen stellen muhte und
das keinerlei Wehrgerechtigkeit zuließ, wurde am 4. September 1814 durch das Dienstpflichtgesetz nach französischem Vorbild ersetzt, zu diesem Zeitpunkt war Scharnhorst bereits an
den Folgen einer Kriegsverletzung, die er sich 1813 in der Schlacht bei Groß-Görschen zugezogen hatte gestorben.
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Hermann von Boyen wurde 1814 Kriegsminister, er machte seinen Einfluss bei der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht geltend.
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