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Heeresreform in Preussen
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Das preußische Heer befand sich 1806 in einem desolaten Zustand. Das Schlimme war, daß es die Entscheidungsträger nicht wußten. Seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges
(1763) war die Ausbildung der Truppen zu pedantischem, übertriebenem Exerzierdienst verkommen, vom Zivilisten Stein als “militärische Tanzmeisterei” bespöttelt. Manöver gab es
praktisch nur sehr selten und wenn, dann nicht unter gefechtsmäßigen Bedingungen.Das höhere Offizierskorps war überaltert. Zu den unfähigen, arroganten und dünkelhaften Vorgesetzten gesellten
sich Rekruten, denen man außer Drill nichts beigebracht hatte. Viele waren Söhne von Leibeigenen, die gerade noch zum Wache stehen taugten, oder als unbezahlte Arbeitskräfte auf den
Landgütern ihrer Offiziere.
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Die Offiziere gehörten fast ausschließlich dem Adel an. Einige Adelstitel waren zweifelhaft, andere erst jüngst erworben, die Mehrzahl jedoch eindeutig ostelbischer Herkunft. Die wenigen
Bürgerlichen hatten es in der Armee schwer und waren meist Fachleute der Artillerie. Entsprechend war es um die Qualität des Offizierskorps bestellt.
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Unter dem Druck des Sparens wurde oft an der falschen Stelle gespart. Die Truppe bekam in Friedenszeiten keine Munition, am Hafer für die Pferde wurde gespart. Die Feuerwaffen waren veraltet,
die Uniformen nicht zweckmäßig. Die Mannschaften besaßen im Herbstfeldzug 1806 keine Mäntel, um sich zu wärmen. Es gab keine Pioniere, keine Lazarette, keine Kundschafter.
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Geprügelt wurde immer noch in Preußens Armee. Für die geringste Nachlässigkeit gab es den Stock des Korporals zu spüren. Eine derart schlecht ausgebildete, unmotivierte Truppe sah sich bald
der modernen Grande Armée Napoleons gegenüber. Die Chancen standen schlecht, obwohl die zahlenmäßige Überlegenheit der Preußen eindeutig war.
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Geführt wurde die Armee bei Auerstedt von Karl Wilhelm Herzog von Braunschweig, der jedoch die Anwesenheit des Monarchen nutzte, um geschickt seine Verantwortung auf diesen abzuwälzen.
Friedrich Wilhelms Kriegskunst konnte die vielen Defizite natürlich nicht ausgleichen. Dann hatten noch Einfluß General Friedrich Adolf von Kalckreuth, genannt “Verkalckreuth”,
General Ernst von Rüchel, General Prinz Louis Ferdinand und Oberst Gerhard David von Scharnhorst, Generalstabschef des Heeres.
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Die Niederlage der preußischen Armee bei Jena und Auerstedt war eine totale und führte 1807 geradewegs in den Zusammenbruch des Staates.
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König und Königin, die voneinander getrennt gen Osten fliehen, entgehen nur knapp einer Gefangennahme durch die Franzosen. Luise behält in diesen wirren Tagen ihre Fassung, und sie
analysiert die Ursachen der Niederlage. Sie rät dem König, von nun an geheimdienstlich tätig zu werden, um vom Feind mehr zu erfahren. - Bislang war Spionage als Mittel der
Kriegskunst beim preußischen Generalstab absolut undenkbar! - Luise nutzt die Gunst der Stunde, um in Stettin den ebenfalls auf der Flucht befindlichen Lombardi, den bösen Geist
der preußischen Außenpolitik, festzusetzen. Sie läßt ihn ins Gefängnis werfen, aus dem ihn Friedrich Wilhelm einige Tage später wieder befreit.
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Auf dem Weg nach Küstrin begegnen sich Luise und Hardenberg zufällig. Sie überredet ihn, sich ihr anzuschließen. Der König werde dies sicher begrüßen. Bei der Ankunft reagierte der König
jedoch abweisend. Hardenbergs Rat war nicht gefragt. Luise ist umgeben von Mutlosigkeit, Verrat und Inkompetenz. Sie gibt jedoch nicht auf, läßt sich von der Untergangsstimmung nicht
anstecken und versucht, dem Einfluß von Köckritz und Haugwitz entgegenzuwirken. - In Berlin beeilen sich indessen zahlreiche Minister und Beamte, Napoleon den Treueeid zu leisten. Die
Zeitungen werfen den Rest an Ehrgefühl über Bord und schließen sich der Hetze der französischen Blätter gegen Preußen und besonders gegen Königin Luise an.
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Die allgemeine Mutlosigkeit hatte allmählich den Punkt erreicht, daß die Mehrzahl bereit war, eine Kapitulation zu akzeptieren. Napoleon machte allerdings den Fehler, in seiner
Euphorie die Forderungen ins Maßlose zu steigern. Täglich wurden groteskere Ansprüche erhoben. Selbst den Mutlosen wurde klar, daß Napoleon Preußen nicht nur besiegen wollte,
sondern daß er die endgültige Vernichtung geplant hatte. Welchen Sinn hätte jetzt noch eine Kapitulation? König Friedrich Wilhelm ließ am 21. November 1806 in Osterode über das Friedensdiktat beraten und abstimmen. Zur großen Überraschung aller schloß er sich nicht der Mehrheit an, die für Kapitulation gestimmt hatte, sondern er stimmte dagegen. Haugwitz und Lucchesini demissionierten. Von nun an war die preußische Neutralitätspolitik beendet.
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Nach der Konferenz von Osterode trug König Friedrich Wilhelm dem Freiherrn vom Stein, den er nicht leiden konnte, das Außenamt an.
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Ende November 1806 führt Friedrich Wilhelm auf russischem Boden Gespräche mit russischem Militär. Als er am 30. November 1806 wieder bei Luise in Ortelsburg erschien, war in ihm
der Entschluß zu einer Reorganisation des preußischen Heeres gewachsen. Am 1. Dezember veröffentlicht er aus eigenem Entschluß, ohne Unterstützung von Scharnhorst oder anderer
militärischer Berater das Ortelsburger Publikandum, worin er einen neuen Kurs definiert. Niemand hätte dem König einen solchen revolutionären Sinneswandel zugetraut: Das
Adelsprivileg wird abgeschafft. Unteroffiziere und Gemeine können während des Krieges, wenn sie sich auszeichnen, Offizier werden. Kriegerwitwen bekamen erstmals Pensionen.
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Sowohl die Entscheidung von Osterode, wie das Publikandum von Ortelsburg bedeuten die entscheidende Wende zu einem Neubeginn im preußischen Heer. Die darüber hinaus notwendigen
innenpolitischen Reformen waren von Friedrich Wilhelm jedoch nicht zu erwarten, dafür war er zu sehr Militär.
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Carl Röchling, Militär-Reorganisationskommission Königsberg 1807
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Die Königsberger Kommission bekam den Auftrag, die Verfehlungen der Offiziere und Generale in den Jahren 1806/07 zu untersuchen, insbesondere, ob sie sich des Verrats oder der
Feigheit schuldig gemacht hatten. Ein Resultat der Kommission war, daß von den ursprünglich 143 Generälen, die 1806 im Dienst waren, zu Beginn der Befreiungskriege noch zwei ein
Kommando hatten: Blücher und Tauentzien. Scharnhorst reichten jedoch personelle Maßnahmen bei weitem nicht aus. Er war in der Tat der exzellente Militärstratege mit klarem Blick
für überholte, verkrustete Strukturen, zugleich war er aber auch Staatsmann. Er betrieb die Heeresreform, mit großer Energie und Ausdauer und vermochte sich trotz zahlreicher
Rückschläge gegen den König und andere konservative Kräfte durchzusetzen. Zu seinen hervorragenden Mitarbeitern zählten August Neithardt von Gneisenau (sein Nachfolger), Carl von
Clausewitz (durch sein militärtaktisches Werk “Vom Kriege” wesentlich bekannter geworden), Hermann von Boyen und Karl von Grolmann.
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Im Zuge der Heeresreform wurde das Privileg des Adels bei der Besetzung von Offiziersstellen abgeschafft. Für die Beförderung war einzig der Verdienst wichtig, nicht die Herkunft.
Trotz allem blieb das Offizierskorps jedoch überwiegend adlig. Der übertriebene Exerzierdrill wurde zugunsten einer gefechtsnahen Ausbildung abgelöst, entehrende Strafen wie
Spießrutenlauf und Prügelstrafe wurden abgeschafft. Der wichtigste Punkt der Heeresreform war jedoch, daß Scharnhorst Schritte einleitete, um die Armee im Bewußtsein des Volkes
fest zu verankern. Er vertrat die Auffassung, daß ein jeder Bürger eines Staates bereit sein müsse, diesen zu verteidigen. “Verbürgerlichung des Heeres”. Es wurde
die allgemeine Wehrpflicht (Dienstzeit drei Jahre) eingeführt, zugleich die Landwehr und der Landsturm gebildet. (“Volksarmee”).
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Die in Preußen am 17. März 1813 erlassene Landwehrverordnung erfasste alle nicht dem stehenden Heer angehörenden Männer von 17 bis 40 Jahren. Alle Wehrfähigen bis zu 50
Jahren wurden im Landsturm erfaßt, der nur im äußersten Notfall eingesetzt werden sollte. Die Landwehr sollte sich in den Befreiungskriegen noch bewähren. Gut geführte
und hoch motivierte Landwehrsoldaten unter hervorragenden Feldherren wie Bülow von Dennewitz führten bei Belle-Alliance (Waterloo) 1815 die entscheidende Wende zum Untergang Napoleons herbei.
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Scharnhorst gilt als Erfinder des “Krümpersystems”. Hierdurch war es der preußischen Armee möglich, eine größere Anzahl an Rekruten auszubilden, als die nach dem
Pariser Vertrag erlaubten 42.000 Mann. Die Soldaten wurden ausgebildet, danach “beurlaubt” und durch Nachrücker ersetzt. Obwohl dieses System sehr zur Popularität der
preußischen Armee beitrug, war die Gesamtzahl der tatsächlich ausgebildeten Soldaten in der Armee nicht wesentlich höher als 42.000. Hinzu kamen noch 120.000 Mann der Landwehr.
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1807 übernahm Scharnhorst die Funktion des preußischen Kriegsministers. Das Ministerium wurde jedoch erst 1809 gebildet. Scharnhorst legte 1812 sein Amt nieder, als Preußen
gezwungen war, in die napoleonische Allianz gegen Rußland einzutreten und ein Hilfskorps abstellen mußte. Anders als Clausewitz und Boyen, die aus patriotischen Gründen zum
Übertritt in russische Dienste bereit waren (in denen Stein bereits stand), diente Scharnhorst, nachdem Preußen die Seiten gewechselt hatte, als Generalstabschef in
Feldmarschall Blüchers Armee.
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Gegen den Widerstand der reaktionären Kräfte, zu denen in erster Linie der Adel zählte, gelang es Scharnhorst und seinen Mitarbeitern durch die eingeleiteten Maßnahmen die
Effizienz des preußischen Heeres zu steigern. Das längst überholte, aus dem Jahre 1733 stammende Kantonsprinzip, wonach jeder Heeresbezirk eine Anzahl von Wehrpflichtigen stellen
mußte und das keinerlei Wehrgerechtigkeit zuließ, wurde am 4. September 1814 durch das Dienstpflichtgesetz nach französischem Vorbild ersetzt. 1813 war Scharnhorst bereits an
den Folgen einer Kriegsverletzung, die er sich in der Schlacht bei Groß-Görschen zugezogen hatte gestorben.
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Hermann von Boyen wurde 1814 Kriegsminister, er machte seinen Einfluß bei der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht geltend.
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